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7. März 2012

Unterm Dach­stüberl ist was los!

Ein­rich­tung eines Schul­ar­chivs im Dach­ge­schoss des Bodensee-Gymnasiums

Hoch, höher, noch ein paar Trep­pen, dann eine Pau­se. Wir befin­den uns im obers­ten Stock­werk des Bodensee-Gymnasiums. Vor drei Jah­ren wur­de das 150-jährige Schul­ju­bi­lä­um gefei­ert. Die Wur­zeln rei­chen sogar noch wei­ter zurück bis ins 16. Jahr­hun­dert. Klar, dass sich wäh­rend einer so lan­gen Zeit auch viel Inter­es­san­tes ange­sam­melt hat. Um das wür­dig ver­stau­en zu kön­nen, soll nun ein neu­es Schul­ar­chiv ein­ge­rich­tet wer­den. Dafür nimmt uns Bent Jör­gen­sen als ers­tes Reporter-Team mit in den aus­er­wähl­ten Raum. Als SMV-Zimmer hat er aus­ge­dient, doch Spu­ren hin­ter­las­sen hat die Schü­ler­mit­ver­ant­wor­tung trotz­dem. Es ist ein kal­ter, hel­ler Raum mit bei­ßen­dem Gestank. Hier wer­den in ein paar Wochen ein neu­er Boden gelegt, neue Fens­ter ein­ge­baut und wei­te­re grund­le­gen­de Reno­vie­rungs­ar­bei­ten durch­ge­führt wer­den. Danach kann sich das Ent­wick­lungs­team von Ire­ne Heß, Bent Jör­gen­sen, Chris­ti­an Schul­ze und Georg Drex­ler auf bis zu 30 Qua­drat­me­tern bes­tens ein­rich­ten. Im Lau­fe der Zeit kön­nen noch wei­te­re Medi­en und Arbeits­plät­ze hin­zu­ge­fügt wer­den. Die Orga­ni­sa­ti­on und Betreu­ung des Archivs über­nimmt das Team ehren­amt­lich und in sei­ner Frei­zeit. Bald schon sol­len hier Schü­ler die Mög­lich­keit bekom­men, unter kun­di­ger Anlei­tung einen Ein­blick in die Ver­gan­gen­heit ihrer Schu­le und in geschicht­lich wert­vol­le Doku­men­te zu erhal­ten. Ange­dacht sind bereits Recher­chen für Semi­nar­ar­bei­ten oder geschicht­li­che Projekte.

Lorenz Haa­se, Pro­jekt Umwelt-baut-Brücken

Bitt­schrift für die Ein­set­zung einer Gewer­be­schu­le in Lin­dau (1859)

Das Bodensee-Gymnasium kann auf eine lan­ge Ver­gan­gen­heit zurück­bli­cken. Bereits 1528 wur­de die reichs­städ­ti­sche Latein­schu­le gegrün­det, unse­re ältes­te Wur­zel. Im Jahr 1859 kam dann mit der Errich­tung einer Handels- und Gewer­be­schu­le die zwei­te Wur­zel hin­zu, deren 150. Jubi­lä­um wir 2009 gefei­ert haben. Seit dem letz­ten Jahr rich­ten wir nun einen eige­nen Raum als Schul­ar­chiv ein, in dem wir die Zeug­nis­se die­ser rei­chen Ver­gan­gen­heit sam­meln, aber auch bes­ser zugäng­lich machen wol­len. Damit erhal­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler bei­spiels­wei­se im Rah­men des Faches Geschich­te die Mög­lich­keit zur Arbeit an authen­ti­schen Quel­len, wäh­rend die neun­te Jahr­gangs­stu­fe im Infor­ma­tik­un­ter­richt bereits damit begon­nen hat, Daten­ban­ken für eine Kata­lo­gi­sie­rung der Bestän­de zu ent­wer­fen. In Zukunft bie­tet das Archiv auf die­se Wei­se viel­leicht sogar The­men für P- oder W‑Seminare.

Eine beson­ders wich­ti­ge Quel­le soll im Fol­gen­den etwas genau­er vor­ge­stellt wer­den. Es han­delt sich dabei um eine Bitt­schrift an die könig­lich baye­ri­sche Regie­rung des Bezirks Schwa­ben und Neu­burg vom April 1859. Auch wenn der Text nicht unter­zeich­net ist, kön­nen wir davon aus­ge­hen, dass er aus der Feder des Werk­meis­ters Jakob Götz­ger stammt, der sich vehe­ment für die Ein­rich­tung einer Gewer­be­schu­le in Lin­dau ein­ge­setzt hat. In die­sem Schrei­ben ver­sucht er, die zustän­di­gen behörd­li­chen Stel­len von sei­nem Vor­ha­ben zu über­zeu­gen – wie der wei­te­re Ver­lauf unse­rer Schul­ge­schich­te zeigt, mit Erfolg.

Bent Jör­gen­sen

Zur Grün­dung
einer
Gewer­be­schu­le in Lindau
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Die ört­li­che Eigent­hüm­lich­keit, daß hie­si­ge Stadt von aus­sen ganz mit Was­ser abge­schlos­sen und hie­durch den Bewoh­nern nicht, wie anders­wo, Gele­gen­heit zum Betrie­be für Land­wirth­schaft gebo­ten ist, ver­an­laß­te schon in frü­he­ren Zei­ten, daß man hier mehr, als viel­leicht anders­wo geschah, auf Schu­len, oder bes­ser gesagt, auf Aus­bil­dung der Jugend ver­wen­de­te, so war denn schon seit mehr als Man­nes den­ken beson­ders für guten Rech­nen= Schrei­ben Zeich­nen und fran­zö­si­schen Sprach=Unterricht gesorgt worden.

Die­se Anstal­ten erwie­sen sich bis auf letz­te­re Jahr­zehn­te als genü­gend für den Hand­werks­mann, und selbst jene Hand­wer­ker, wie Sei­ler ( soge­nann­te Bal­len­bin­der) und Küb­ler, die zunächst im Speditions=Geschäfte vom Kauf­mann Ver­wen­dung fan­den, eben­so Schif­fer und ande­re Gewer­be erhiel­ten hier die erfor­der­li­che Aus­bil­dung zu ihren Geschäf­ten, die Söh­ne der Bau= und ande­rer hie­mit ver­wand­ten Gewer­be muß­ten aber aus­wärts die nöthi­gen Kennt­nis­se sich zu erwer­ben suchen. –

Der Erwerb Lind­aus bestand der Haupt­sa­che nach in Han­del und Spe­di­ti­on, aus die­sen schöpf­te größ­tent­heils der Gewerbs­mann direct und indi­rect sei­nen Ver­dienst, und erhielt ihn auch wirk­lich in reich­li­chem Maaße.

In den letz­ten Jahr­zehn­ten bil­de­te aber auch die Schran­ne einen erheb­li­chen Theil der hie­si­gen Ver­dienst­quel­len. – Ja alles fand hier unter und durch sich selbst, ohne daß man genö­thigt war, nach aus­sen zu arbei­ten, Ver­dienst, Brod und nöthi­ges Auskommen. –

Durch den Zei­ten­um­schwung ist jedoch alles anderst gewor­den, die Schran­ne stockt, die Arbei­ter der­sel­ben gehen an Tag­lohns­ar­bei­ten, außer Bret­ter und Schmalz besteht so zu sagen kein eigent­li­cher Han­del in Lin­dau mehr, die Spe­di­ti­on gleicht in der gegen­wär­ti­gen und nächst­fol­gen­den Zeit einer Quel­le, die im San­de spur­los ver­rinnt, Fabri­cken oder irgend wel­che indus­tri­el­le Unter­neh­mun­gen fin­den wir um Lin­dau nirgends.

In Lin­dau selbst ist die Dampf­schiff­fahrt, wel­che eben­falls durch zu gro­ße Con­cur­renz krän­kelt, dann noch der Betrieb der königl. Eisenbahn.

So leicht der Bewoh­ner Lindau’s bis zu den letz­ten Jah­ren sich Ver­dienst und Unter­halt ver­dien­te, eben­so sehr ist es jetzt nicht mehr der Fall und wird es in nächs­ter Zeit noch viel weni­ger wer­den. – Wir sind weit ent­fernt Jeman­den dar­über Vor­wür­fe zu machen oder als Schul­di­ge zu bezeich­nen; wir begrei­fen recht wohl, daß der unauf­halt­sa­me in das Leben und Trei­ben aller­wärts ein­grei­fen­de Dampf nur allein sei­ne Wir­kung bekundet. –

Wir hal­ten es aber auch für Pflicht zu erwä­gen, zu prü­fen was nun das bes­te Mit­tel seye, um uns, um unse­re Kin­der und spä­te­ren Nach­kom­men vor Ver­ar­mung zu bewah­ren, ja statt nur gegen die­se auch noch für ganz Ande­res, das da kom­men wird, wir mei­nen die Gewer­be­frei­heit, gerüs­tet da zu stehen. –

All die­ses erzeug­te inne­ren unwie­der­steh­li­chen Drang, so daß schon vor meh­re­ren Jah­ren hie­si­ge Bür­ger Ver­an­la­ßung gaben und theil­wei­se aus Zunft­kas­sen die Mit­tel dazu bie­t­hend, eine Real­schu­le hier zu errich­ten, um hie­durch jedem in Lin­dau leben­den Fami­li­en­va­ter ohne Aus­nah­me Gele­gen­heit zu bes­se­rer Aus­bil­dung, als bis­her geschah, für sei­ne Kna­ben mög­lich zu machen.

Wir kom­men nun auf die Real­schu­le, und wenn wir im All­ge­mei­nen der­sel­ben nicht zu nahe tre­ten wol­len, so bestehen doch in ihr Ver­hält­nis­se eige­ner Art, die nach unse­ren obwal­ten­den Ansich­ten nicht geeig­net sind, uns das zu bie­ten, was wir von ihr erwarteten.

Um in das Seye der Schu­le tie­fe­re Bli­cke wer­fen zu kön­nen, wol­len wir ver­su­chen ihren Orga­nis­mus so klar als mög­lich vor Augen zu legen.

Neh­men wir zunächst den Jah­res­be­richt des ver­gan­ge­nen Jah­res zur Grund­la­ge, wel­cher stets vom Haupt­leh­rer der Real­schu­le ange­fer­tigt wird.

Die Real­schu­le besteht aus zwey Cur­sen; den ers­ten Curs hat Ober­leh­rer Wich mit 19. Schü­ler; dane­ben und zu glei­cher Zeit hat der­sel­be die deut­sche Elementar=Oberklasse ( III­te Kna­ben­klas­se ) mit 24. Schü­ler; letz­te­re Klas­se bil­det den Vor­be­rei­tungs­kurs für den Iten Kurs der Real­schu­le; die­ser Leh­rer hat daher 43. Schüler. –

Der Haupt­leh­rer Schob­loch hat den IIten Curs der Real­schu­le mit 22. Schü­ler, wovon jedoch am Schlu­ße des ver­gan­ge­nen Schul­jahrs nur 11. eigent­li­che Schü­ler die Klas­se bestückten. –

Leh­rer Wich lehrt die eigent­li­chen Rea­li­en im ers­ten und zwei­ten Kur­se der Real­schu­le, als Phy­sick, Che­mie, Natur­wis­sen­schaf­ten und Geo­me­trie, zu der Zeit als die­ser mit den Schü­lern des IIten Kur­ses sch beschäf­tigt, gie­bt der Haupt­leh­rer Schob­loch den Kna­ben der Vor­be­rei­tungs= oder Ober­klas­se und jenen des Iten Real­kur­ses Unter­richt in Ele­men­tar­ge­gen­stän­den, als Reli­gi­on, deut­sche Spra­che, Rech­nen, Geo­gra­phie, baye­ri­sche Geschich­te, Schön­schrei­ben und Recht­schrei­ben, Geo­me­trie bis zu den Flä­chen, dann etwas Alge­bra. Der Haupt­leh­rer gie­bt außer­dem noch, wie uns der Jah­res­be­richt belegt, wöchent­lich eine Stu­ne in Han­dels­kun­de, die aber die Schü­ler wei­ter mit nichts als mit Wech­seln, im All­ge­mei­nen, ein­fa­cher Buch­füh­rung und Rech­nungs­for­mu­la­ri­en bekannt macht.

Hier­aus ersieht man, daß der eigent­li­che Haupt und Real­leh­rer mit dem höhern Gehal­te ( er erhält 700. f -, Wich 600 f – ) außer der so eben erwähn­ten, wöchent­lich in nur einer Stun­de leh­ren­den Han­dels­kun­de, wel­ches für die­sen Gegen­stand jeden­falls, wenn man dem schö­nen Namen eini­ger­mas­sen gerecht wer­den will, als kleinst­denk­ba­res Mini­mum bezeich­net wer­den muß, nichts als Ele­men­tar­un­ter­richt ert­heilt; wohl wird von ihm im Jah­res­be­richt von Land­kar­ten­zeich­nen leh­ren erwähnt, wir hal­ten uns aber und sogar aus eige­ner Anschau­ung über­zeugt, daß die­ser Gegen­stand gar nicht in eine Real­schu­le paßt, daß er auch von ihm gar nicht gelehrt wer­den kann, denn ein Land­kar­ten­zeich­nen setzt ein Situa­ti­ons­zeich­nen vor­aus, das der Leh­rer nicht ver­steht, und das nur in obe­ren Kur­sen vom Poly­tech­ni­cums gelehrt wer­den kann. – Wir haben die­ses Gegen­stand blos erwähnt um dar­zut­hun, wie man eigent­lich gar nicht begreift, was in eine zeit­ge­mä­ße Real­schu­le gehört, und wie man will­kühr­lich arbei­tet; eben­so ist für die übri­gen Wis­sen­schaf­ten, weder ein Anfang noch eine Gren­ze, bis wohin der Leh­rer sei­ne Schü­ler zu füh­ren habe, bestimmt vor­ge­schrie­ben. Eben­so sind für die­se wis­sen­schaft­li­chen Gegen­stän­de kei­ne bestimm­ten Lehr­bü­cher zum Vor­tra­ge bezeich­net. – Alles Vor­ge­hen ist dem Eigen­wil­len des Leh­rers anheim gegeben.

Von einem Anknüp­fen an ande­re Lehr­an­stal­ten ist gar nicht die Rede, daher der eigent­li­che End­zweck zu errei­chen gar nicht mög­lich sein kann.

Soviel uns erin­ner­lich wer­den in Augs­burg und Mün­chen an dor­ti­gen Gewer­be­schu­len nir­gends Hos­pi­tan­ten auf­ge­nom­men und sehr wahr­schein­lich aus dem Grun­de, weil in dem­je­ni­gen Alter, in wel­chem die Gewer­be­schü­ler leben, eine gewis­se Schul­di­sci­plin noch über die jun­gen Leu­te geübt wer­den muß und ihnen das Aus­wäh­len der ihnen belie­bi­gen Lehr­ge­gen­stän­de noch nicht gestat­tet wer­den kann. – Ueber­haupt eine sol­che Will­kühr unfehl­bar auf den Unter­richt stö­rend ein­wir­ken muß. –

Wir erse­hen aber noch fer­ner aus bezeich­ne­tem Berich­te, daß am Schlu­ße des letz­ten Schul­jah­res 15. Hos­pi­tan­ten oder Zög­lin­ge des Schob­lochi­schen Insti­tuts nebst den nur 11. wirk­li­chen Schü­lern unse­re Real­schu­le besuchten,

In dem IIten Kur­se der Real­schu­le ( Leh­rer Schob­loch ) befin­den aber sich  wie oben erwähnt eine ähn­li­che Zahl sol­cher Zög­lin­ge seit gerau­mer Zeit Zeit Jahr aus Jahr ein in den Unter­richts­stun­den von dem Kin­des bis zum Jüng­lings­al­ter, die aber nur aus­nahms­wei­se am Unter­rich­te für den IIten Real­kurs theil­neh­men, ja theils auch gar nicht Ant­heil neh­men kön­nen, weil dar­un­ter sol­che sich befin­den, die noch gar nicht deutsch spre­chen, es ist daher der Unter­richt für die Zög­lin­ge wäh­rend der gan­zen jähr­li­chen Schul­zeit bereits nichts ande­res als Pri­vat­un­ter­richt, und sie sol­len sogar die vor­de­ren zunächst dem Leh­rer lie­gen­den Plät­ze aus­schließ= und ein­neh­men, die eigent­li­chen Real­schü­ler aber auf den dahin­ter­ste­hen­den Bän­ken sit­zen, obwohl der Leh­rer doch nur für eigent­li­che Real­schü­ler sei­ne Besol­dung erhält; sie zah­len aller­dings etwas Schul­geld, aber immer­hin bleibt Pri­vat­un­ter­richt inner­halb der gesetz­li­chen Schul­zeit ein Unding.

Ein ande­rer jeden­falls wie uns scheint noch grö­ße­rer Miß­stand des bestehen­den IIten Kur­ses der Real­schu­le ist der­je­ni­ge: daß die­se Zög­lin­ge vor ihrem Ein­trit­te gar kei­ne Auf­nahms­prü­fung erste­hen, es wird gar nicht sich ver­ge­wis­sert, ob der auf­zu­neh­men­de Zög­ling, oder wie man ihm den Namen gibt „Hos­pi­tant“ die nöthi­gen Vor­kennt­nis­se für die­se Klas­se besit­ze; unse­re Söh­ne müs­sen, wenn sol­che aus dem Iten in den IIten­Kurs tre­ten wol­len, jeden­falls eine Prü­fung bestehen, die Auf­nah­me der Hos­pi­tan­ten in den IIten Kurs ( im I Kurs gibt es kei­ne ) ist aber schon gewähr­leis­tet, sobald der Schü­ler in Kost und Logie des Haupt­leh­rers ein­tritt. Ein spe­zi­el­ler Fall kann aus neu­es­ter Zeit ange­führt werden:

Ein Kna­be vom Lan­de besuch­te im vori­gen Schul­jahr die Elementar=Oberklasse des Leh­rers Wich, war hier in einem Pri­vat­lo­gie, das er fürs kom­men­de Jahr nicht wie­der bezie­hen konn­te. Der Vater gibt ihn in Kost und Logie dem Insti­tuts­in­ha­ber und Haupt­leh­rer und er tritt sonach ohne Wei­te­res von der Ober­ele­men­tar­klas­se in den IIten Kurs der Realschule. –

Viel­sei­tig sind die­se Ver­hält­nis­se gewiß einer Erwäh­nung werth, denn so oft wir die­se und die durch den Umschwung der Zeit her­bei­ge­führ­ten, uns so recht eigent­lich klar zu machen suchen, so fin­den wir kei­nen ande­ren Aus­weg für unse­re männ­li­che Jugend als den­je­ni­gen, eine ihr zu ver­schaf­fen­de gedie­ge­ne­re in gere­gel­te Bah­nen gelenk­te Aus­bil­dung. Die Rich­tig­keit und Untrüg­lich­keit für das Erken­nen die­ses Mit­tels fin­den wir in dem, in allen civi­li­sier­ten Staa­ten so deut­lich her­vor­tre­ten­den Kund­ge­ben und Stre­ben nach bes­se­rer Aus­bil­dung des Arbei­ter= und Gewerbe=Standes, damit der­sel­be von dem Zeit­an­schrit­te nicht über­holt, son­dern maaß­hal­tend mit dem­sel­ben vor­wärts zu gehen vermöge.

Wenn dann auch das eine oder ande­re hier bestehen­de Gewer­be nicht mehr Brod bie­tet, so wer­den die mit gründ­li­che­ren Kennt­nis­sen Aus­ge­rüs­te­ten es ver­las­sen und nach ande­ren Erwerbs­ar­ten grei­fen, oder jeden­falls aus­wärts Unter­kunft finden.

Auch eine wei­te­re Aus­bil­dung in grö­ße­ren Städ­ten ist ihnen ange­bahnt, wenn sie gründ­li­che Vor­kennt­nis­se besit­zen, was im gegen­t­hei­li­gen Fal­le ihnen nim­mer mög­lich ist.

Von all die­sem gelei­tet glau­ben wir nur in der Errich­tung einer voll­kom­me­nen könig­li­chen Gewer­be­schu­le mit drei Cur­sen allein nur eine see­gen­spen­den­de Zukunft für unse­re Jugend erwar­ten zu kön­nen und wei­sen in einer Bei­la­ge nach, daß wir alle nur mög­li­cher­wei­se uns zu Gebo­te ste­hen­den Mit­tel zur Ver­fü­gung stel­len, wel­che auch dem von hohen könig­li­chen Regie­rungs­kos­ten­san­schlag für eine könig­li­che Gewer­be­schu­le mit II Cur­sen mehr als ent­spre­chen dürf­te. Höhern Orts hat man uns aller­dings zu beden­ken gege­ben, es sei­en in unse­rem Krei­se vier Gewer­be= und eine Poly­tech­ni­sche= Schu­le. Die Städ­te sei­en nun­mehr durch die Eisen­bah­nen so nahe gerückt, daß für Lin­dau eine Gewer­be­schu­le nicht mehr für not­hwen­dig erach­tet werde.

Legen wir aber zu dem bereits Gesag­ten auch noch Fol­gen­des in die Waag­scha­le, so dürf­te unse­re Ansicht und unse­re Wün­sche doch Wür­di­gung finden.

Kna­ben, wenn sie an Gewer­be­schu­len sol­len, müs­sen noch im zar­ten Alter den häus­li­chen Herd ver­las­sen und die Eltern, wenn sie nicht gera­de Ver­wand­te oder Bekann­te in einer sol­chen grö­ße­ren Stadt haben, müs­sen das ihnen Theu­ers­te oft aufs gera­the­wohl frem­den Hän­den überlassen.

In einer Zeit, wo es am not­hwen­digs­ten wäre, die Kin­der, weil ihnen noch jede Selbst­stän­dig­keit fehlt, noch selbst in täg­li­cher Auf­sicht zu haben. Geden­ken wir dabei der vie­len Gele­gen­hei­ten, denen sie durch böse Gesell­schaf­ten Preis gege­ben sind, so hat gewiß allein schon das, daß man sie in der Fami­lie behal­ten kön­ne, einen gro­ßen Werth.

Anderst aber ver­hält es sich in finan­zi­el­ler Bezie­hung und wir wol­len für die­sen Fall eine die­ser Tage aus­ge­spro­che­ne That­sa­che eines gering besol­de­ten sehr acht­ba­ren aber innig besorg­ten Fami­li­en­va­ters und Ange­stell­ten bei könig­li­cher Eisen­bahn wört­lich anführen:

wird es denn noch nicht bald mit Errich­tung der hie­si­gen Gewer­be­schu­le etwas? ich habe zwei sehr bra­ve und lern­be­gie­ri­ge Kna­ben; einen hie­von habe ich im ers­ten Kur­se der Gewer­be­schu­le in Mün­chen unter­ge­bracht, der zwei­te wünscht eben­falls nächs­tes Jahr dahin zu kom­men, aber bei dem gerin­gen Gehal­te, den ich hier bezie­he, bei dem theu­ren Lebens­un­ter­hal­te weiß ich kaum, ob es mir mög­lich wird, den einen ers­ten in der Gewer­be­schu­le zu las­sen ( wenn ich nicht das Glück erhal­te, nach Augs­burg oder Mün­chen ver­setzt zu wer­den, was ich aus die­sem Grun­de schon nach­ge­sucht habe ) so muß ich den bra­ven Kna­ben aus sei­ner begon­ne­nen Lauf­bahn wie­der her­aus reis­sen, auf bes­se­re Bil­dung ver­zich­ten und in eine Leh­re unterbringen.

Leicht mög­lich wäre es mit aber für bei­de, wenn eine Gewer­be­schu­le hier bestün­de, denn Kost, Logie, Wasch und der­glei­chen erhiel­ten sie bei gerin­ge­rer Ein­schrän­kung in der Fami­lie und für die jun­gen Leu­te wäre nach weni­gen Jah­ren auch selbst dann gesorgt, wenn ihre Eltern nicht mehr lebten.“

Wie es die könig­lich Ange­stell­ten, eben­so berührt es alle unbe­mit­tel­te hie­si­ge Ein­woh­ner sei­en sie wel­cher Con­fes­si­on oder wel­chen Stan­des sie auch nur wol­len. Wenn der Vater auch sehr wenig bemit­telt ist, so ver­mag er doch bei eini­ger Anstren­gung in der Fami­lie die nöthigs­ten Bedürf­nis­se zu bie­ten, aber für frem­den Ort ver­mag er nicht jähr­lich, wenig gesagt, 200. fl – aufzubringen.

Und doch erkennt gewiss jeder für sei­ne Fami­lie leben­de Haus­va­ter in gründ­li­cher Aus­bil­dung sei­ner Kin­der sei­ne höchs­te Lebens­auf­ga­be, denn er weiß ja, wenn er ihnen auch kein Ver­mö­gen hin­ter­läßt, sie alle doch genug besit­zen, wenn sie in der Jugend Schö­nes und Tüch­ti­ges gelernt haben! –

Mit der Ent­ste­hung einer voll­kom­me­nen könig­li­chen Gewer­be­schu­le erhal­ten wir auch für die Mehr­be­jahr­ten eine gute Sonn= und Fei­er­tags­schu­le. Indus­tri­el­le Gewer­be­meis­ter und Gesel­len fin­den sodann eben­falls noch Gele­gen­heit ihr Wis­sen zu berei­chern, zu vervollkommnen.

Unse­re Bit­te geht nur allein dahin, man möge gewo­gendst die ange­ge­be­nen wahr­heits­ge­treu­en hie­si­gen Schul= und Gewer­be­ver­hält­nis­se einer genau­en Prü­fung unter­stel­len, dann zwei­feln wir nim­mer­mehr, daß nicht unse­re hohe könig­li­che Provinzial=Regierung die aller­höchs­te Geneh­mi­gung zur Errich­tung, wie eben­so bei dem Land­rathe eine jähr­li­che Unter­stüt­zungs­sum­me für den III­ten Curs einer hie­si­gen Gewer­be­schu­le bevor­wor­ten werde.

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Lin­dau im April 1859

Einer

König­li­chen Regie­rung von Schwa­ben und Neu­burg / Kam­mer des Innern

untert­hä­nigst gehorsamste.

Vor die Schuler
  1. Die Schul­er sol­len ihre Prae­cep­to­res [Leh­rer] nicht anderst als ihre Vät­ter lie­ben, ehren, gutes von ihnen reden, und ihrer Straff sich gehor­sam­lich unterwerffen.
  2. In die Schul sol­len sie zu bestimm­ter Zeit und zwar sein rein­lich und ehr­bar und in den 2. obern Cla­ßen mit den Män­teln erschei­nen, und weh­rend der Schul nicht mehr hin­aus lauf­fen, auch mit ihren Büchern und aller Zube­hör ver­se­hen, und das­je­ni­ge, so ihnen vor­ge­ge­ben wor­den, zu reci­tirn [wie­der­ge­ben] oder zu exhi­birn [vor­zei­gen] bereit und fer­tig seyn.
  3. So bald sie in ihre Claß kom­men, wel­ches ohne unnö­thi­ges her­um­lauf­fen also bald gesche­hen soll, sol­len sie sich fein still und sitt­sam an ihren Orth set­zen und ihre Lec­tion­es vornehmen.
  4. Ihre Lec­tion­es sol­len sie nicht plau­der­haff­tig son­dern deut­lich reci­tirn, wie auch die Exer­citia [Übun­gen] Jeder selbst com­po­nirn, da sie aber dar­inn einen Betrug gebrau­chen wur­den, sol­len sie sambt denen, die ihnen dar­zu geholf­fen, gebüh­rend gestrafft werden.
  5. Wann von dem Prae­cep­to­re die Lec­tion vor­ge­le­sen, oder etwas erklärt oder dic­tiert wird, sol­len sie fleis­sig dar­auf mercken, und zu sol­cher Zeit mit nichts anders umgehen.
  6. Die in den zwey obern Clas­si­bus sit­zen, sol­len so wohl unter sich selbst, als mit ihrem Prae­cep­to­re anders nicht als latei­nisch reden, es seye gleich in der Schul oder aus­ser der­sel­ben, wor­auf gute ach­tung zu geben.
  7. In Geber­den, Wor­ten und Wercken sol­len sie sich so wol in der Schul, als auff der Gas­sen, als wol­ge­zo­gne Christ­li­che Kin­der ehr­bar, züch­tig, demüt­hig, und gegen jeder­mann son­der­lich aber gegen vor­neh­me und ande­re ehr­li­che Leu­te ehr­erbie­tig erwei­sen, und sich wohl­an­stän­di­ger höff­li­cher Sit­ten befleissigen.
  8. Vor­nehm­lich aber sol­len sie sich alles Flu­chens und Schwö­rens, alles Zan­ckens und Nach­ah­mens, alles Lie­gens [Lügens] und Steh­lens, aller Zot­ten [Zoten] und Pos­sen, auch sonst aller Leicht­fer­tig­keit und unzüch­ti­gen Wesens gäntzlich bemüs­si­gen, oder andern zum Exem­pel ernst­lich abge­strafft werden …
  9. Wann sie mit Erlaub­nis ihrer Eltern etwa im See baden, oder sonst ande­re ehr­li­che Recrea­ti­on [Erho­lung, Pau­se] haben, soll alles züch­tig, still, und ehr­bar zuge­hen. In Sauff-und Spil-Winckeln aber, des­glei­chen auff dem Tantz-Hauß (wann sie kei­ne Hochzeit-Gäst sind) wie auch auff dem Eiß, und ande­ren ihnen ver­bot­te­nen Orthen, sol­len sie sich nicht antref­fen las­sen, auch sons­ten sich des Schrey­ens, Schleif­fens, Schnee­bal­lens, Schla­gens, und andern wil­den Wesens, so wol auff dem Schul-Weg als sons­ten, gantz und gar ent­hal­ten, oder der Straff gewarten.
  10. Ohne erheb­li­che Ursach soll kei­ner von allen Disci­pu­lis [Schü­lern] eini­ge Schul oder Kirch ver­saumen, son­dern sich ent­we­der ein­fin­den, oder sei­nem Prae­cep­to­ri die Ursach des Aus­blei­bens, womög­lich zuvor anzei­gen, und um Erlaub­nus bitten.
  11. So soll auch kei­ner eigens Gefal­lens gar aus der Schul tret­ten, son­dern wann er der­glei­chen vor­hat, sol­ches sei­nem Prae­cep­to­ri, der Prae­cep­tor aber denen Her­ren Visi­ta­to­ri­bus [der Schul­auf­sicht] anzei­gen. Wann nun die­se dem Schul­er die Erlaub­nus geben, soll er von sei­nem Prae­cep­to­re gebüh­ren­den Absch­id neh­men, und dem­sel­ben sei­ne Müh, Treu, und Fleiß ja nit mit schänd­li­chem Undanck belohnen.