„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, schallte es über den Parkplatz der Dreifachturnhalle. Eine ausgewählte Gruppe von Elftklässlern des Bodensee-Gymnasiums Lindau war es, die sich hier auf die bevorstehende Reise in die Hauptstadt freute.
Dieselbe Gruppe durfte bereits im Juni eine Fahrt nach München unternehmen, die das Sozialkunde-Projekt „Lernort Staatsregierung“ betreute. Der Leiter des Projekts, Andreas Kolitsch, hatte dort, erfreut vom großen Engagement der Jugendlichen spontan beschlossen: „Ihr seid eine so tolle Truppe, euch lade ich nach Berlin ein!“ Dieses Versprechen erfüllte er jetzt und ermöglichte so eine Reise, in deren Zentrum die bayerische Vertretung in Berlin, die Gesetzgebung auf Bundesebene und Erinnerungsstätten der DDR stehen sollten.
Als der Bus nach zehn ermüdenden Stunden in Berlin angekommen war, blieb den Schülern noch etwas Zeit, während der sie sich in Kleingruppen in Berlin bewegen durften. Einige der Jugendlichen nutzten diese Möglichkeit auch erfreut und erkundeten das Viertel Kreuzberg, in dem sich das Hostel der Gruppe befand.
Am zweiten Tag stand die Geschichte Berlins auf dem Programm.
Er begann mit einer Stadtführung, die die Schüler an etlichen Sehenswürdigkeiten in der „buntesten Großstadt“, wie der Stadtführer sie nannte, vorbei führte. Dabei wurden viele verschiedene Arten von interessanten Orten hintereinander besucht; einerseits klassische Gedenkstätten wie das Museum zur Berliner Mauer in der Bernauer Straße, andererseits aber auch eher ungewöhnliche Plätze wie die Wohnung von Angela Merkel.
Anschließend gab es für alle ein Mittagessen in der Bayerischen Vertretung; dort lauschten die Schüler danach auch einem Vortrag über die Aufgaben der Vertretung, welche die bayerischen Interessen in die Berliner Politik einbringt.
Nach einem kurzen Fußmarsch folgte der letzte Programmpunkt des zweiten Tages in der Hauptstadt: ein Planspiel im Gebäude des Bundestages zum Thema Gesetzgebung. Jeder Jugendliche bekam die Rolle eines Bundestagsabgeordneten und dessen Fraktion zugeteilt und entschied im Folgenden über einen Gesetzesvorschlag zum Thema „bundesweite Volksabstimmungen“. Es war, da waren sich alle einig, ein sehr interessanter Einblick in die täglichen Aufgaben eines Politikers. Der Besuch der Gruppe im Bundestag endete mit einer kurzen Führung durch das Reichstagsgebäude und dem beeindruckenden Ausblick von dessen Kuppel. Abends konnten sich die Schüler wie am Vortag frei in Berlin bewegen.
Der nächste Tag ließ die Schüler in die Geschichte der DDR eintauchen. Sie besuchten zunächst die ehemalige Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit und erhielten eine Führung zum Thema Stasi, wie die Organisation auch genannt wird. Sehr beeindruckt waren die Schüler besonders von der persönlichen Geschichte des Museumsführers, der früher selbst versuchte hatte, aus der DDR zu fliehen und nach einem halbjährigen Aufenthalt im Gefängnis von der BRD freigekauft wurde. Nachmittags fuhr die Gruppe noch nach Hohenschönhausen, dem ehemaligen Gefängnis der Stasi, welches die DDR noch bis 1989 nutzte. Mit psychischer Folter und körperlicher Gewalt versuchte das Regime, Gegner des Systems einzuschüchtern oder zur Zusammenarbeit zu zwingen. Schockiert lauschten die Schüler den sehr anschaulichen und erschütternden Vorträgen über die dort verübten Gräueltaten.
Bis zur Nachtruhe verbrachten die meisten Jugendlichen den Abend mit einem Kontrastprogramm und gingen in die bekanntesten Berliner Kaufhäuser. Dass dies der letzte Tag der Reise war, stimmte die Schüler sehr traurig, denn es hätte noch sehr viel mehr in Berlin zu entdecken gegeben.
Frederik Will und Felix Augustin