Bei strahlendem Sonnenschein machen wir uns auf, Ravensburg zu erkunden, genauer gesagt das mittelalterliche und frühneuzeitliche Ravensburg. Angekommen im Museumswinkel Humpis-Quartier erwartet uns ein auffälliger Kontrast von Alt und Neu. Der mittelalterliche Gebäudekomplex, bestehend aus einem repräsentativen Vorderhaus und zwei kleineren Hintergebäuden, ist durch ein gewaltiges Glasdach über den Innenhof nachträglich verbunden worden. Die vormals aus Holz gefertigten Laubengänge wurden durch ein offenes Treppenhaus mit modernster Glas- und Metallkonstruktion ersetzt, was ein nahezu bizarres Erscheinungsbild erschaffen hat. Das ehemalige Wohn- und Geschäftshaus der Kaufmannsfamilie Humpis bietet dem Besucher eine spannende Reise in die Vergangenheit. Die Großfamilie war über Generationen hinweg außerordentlich vermögend, millionenschwer, und lebte dementsprechend in großem Luxus. Die rußgeschwärzte Küche lässt erahnen, in welch großem Ausmaß hier kulinarische Köstlichkeiten gebruzelt und geschmort wurde. Bereits der Eingangsbereich war prunkvoll mit Teppichbehang verziert und eingerahmt von riesigen, mit wertvollen Pretiosen versehenen Schränken. Man wollte damals wie heute eben zeigen, was man hat. Ihr Vermögen hatten die Humpis mit dem Handel von Luxusgütern, wie etwa edlen Stoffen und Gewürzen, aus ganz Europa erworben. Als sie jedoch den notwendigen Schritt der Ausweitung ihrer Handelsbeziehungen nach Übersee verpassten, versiegte ihre Finanzkraft, und damit erlosch auch das Ansehen der Familie.
Im zweiten Stockwerk des Gebäudekomplexes lebten später zwei Gerberbrüder: ein Rot- und ein Weißgerber. Leider tat ihnen das gemeinsame Leben und Wirtschaften gar nicht gut. Die Polizeiberichte zeugen von den körperlichen Auseinandersetzungen der beiden ungleichen Brüder.
Unsere Stadtführung nimmt mit einem Blick auf das Wahrzeichen der Stadt, den Mehlsack, benannt nach seinem weißen Anstrich, ihren Anfang. Er diente als Verteidigungsturm gegen die äußeren und inneren Feinde der Stadt. Die Kanonen konnten nämlich auch auf die Herren der Veitsburg, von wo die Namensgebung der Stadt herrührt, gerichtet werden. Als Freie Reichsstadt seit 1278 genossen die Bürger dann zahlreiche Privilegien. Das imposante Rathaus lässt die Macht der reichsstädtischen Bürgerschaft erahnen. Im Kleinen Ratssaal tagte das Hohe Gericht: Hier wurde über Leben und Tod entschieden.
Im Großen Ratssaal bezeugen die bunten Zunftscheiben die Bedeutung der vielfältigen und stolzen Handwerkerschaft Ravensburgs. Das an der Frontseite des Gebäudes sichtbare Stadtwappen mit den drei Windhunden, die Fortschritt und Dynamik symbolisieren, unterstreicht bis heute das reichsstädtische Selbstbewusstsein. Die Ravensburger Elle (entspricht 61,59 cm), ein Richtmaß, an das sich alle von Nah und Fern kommenden Händler halten mussten, ist immer noch neben dem Eingangstor des Rathauses angebracht: Sie zeugt von der großen wirtschaftlichen Bedeutung dieser Stadt über die Region hinaus. Übrigens war Ravensburg eine der wenigen paritätischen Reichsstädte. Nach der Reformation entwickelte sich hier eine konfessionelle Gleichberechtigung und exakte Ämterverteilung zu gleichen Teilen zwischen Katholiken und Protestanten. Unsere Führung endet schließlich auf dem Marienplatz, der seinen Namen erst nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten hat. Die langgestreckte Form lässt noch den Verlauf der Stadtmauer und des davor befindlichen Stadtgrabens erahnen. Im Zuge der frühneuzeitlichen Stadterweiterung blieb der freie Raum als Brandschneise erhalten. Die Bewohner und die Besucher Ravensburgs nutzen den Platz heute sehr gern als Flaniermeile.
Übrigens, trotz des anfangs erwähnten Sonnenscheins waren die Temperaturen dann doch schon herbstlich kühl. Nichtsdestotrotz war es ein toller Vormittag, den wir alle nicht so schnell vergessen werden!
Tara Lanzendorfer und Ann-Sophie Müller, Q11 Geschichte