DDR-Planspiel

Die eige­nen Klas­sen­ka­me­ra­den denun­zie­ren und rui­nie­ren, wäh­rend die „Genos­sen“ aus der Par­al­lel­klas­se einem dabei zur Hand gehen.
Am 23. Novem­ber fand das jähr­li­che DDR-Planspiel am Bodensee-Gymnasium statt.

Es han­delt sich dabei um eine Simu­la­ti­on, wel­che die Schre­cken eines Über­wa­chungs­re­gimes den Schü­le­rin­nen und Schü­lern näher­bringt und ihnen zei­gen soll, dass die Demo­kra­tie und unse­re Frei­hei­ten nicht zu selbst­ver­ständ­lich genom­men wer­den soll­ten. Doch Bir­git Sieg­man, eine frü­he­re Leh­re­rin in der DDR, Jörg Drie­sel­mann, Bür­ger­recht­ler, und ihr Kol­le­ge stre­ben nicht danach, Angst und Schre­cken zu verbreiten
Die Grup­pe aus Schü­le­rin­nen und Schü­lern der zehn­ten Klas­sen soll anhand authen­ti­scher Quel­len Unter­drü­ckungs­me­cha­nis­men in der DDR ken­nen­ler­nen. Zu Beginn der ers­ten Stun­de fin­den sich sechs­und­zwan­zig Zehnt­kläss­le­rin­nen und Zehnt­kläss­ler in der Biblio­thek ein, wo zuerst die grund­le­gen­den Fak­ten zum poli­ti­schen Sys­tem der DDR wie­der­holt werden.

Danach wer­den die Schü­ler in drei Grup­pen ein­ge­teilt. Die ers­te stellt einen Zusam­men­schluss jun­ger Musi­ker dar, wel­che sich nicht mit dem Sys­tem ein­ver­stan­den zei­gen und regime­kri­ti­sche Lied­tex­te zu Papier brin­gen. Die­se wer­den in einer Kir­che zum Miss­fal­len der Regie­rung ver­öf­fent­licht, die dort kein Recht zum Ein­grei­fen hat. Die bei­den ande­ren Grup­pen reprä­sen­tie­ren die Kreis­dienst­stel­le Lin­dau des Minis­te­ri­ums für Staats­si­cher­heit und die Kreis­lei­tung Lin­dau der SED. Alles natür­lich rein fik­tiv. Alle drei Grup­pen wer­den zu Anfang glei­cher­ma­ßen ein­ge­wie­sen. Sie erfah­ren, in wel­cher Lage und in wel­chem Jahr­zehnt die DDR sie sich befinden.
Nun geht es an den Kern der Ange­le­gen­heit. Die Rol­len wer­den ver­ge­ben, man wid­met sich den ers­ten Auf­ga­ben. Die jun­gen Musi­zie­ren­den fan­gen an ihre Stü­cke zu schrei­ben, mit denen sie sich bald selbst ins Visier der Obrig­keit brin­gen. Wäh­rend­des­sen sit­zen die Sta­si und die SED an ihren Tischen und lesen sich die Pro­fi­le zu den jewei­li­gen Mit­glie­dern durch. Die SED ist sich noch unsi­cher, ob man die Musi­ker für sich instru­men­ta­li­sie­ren möch­te oder lie­ber ihr Zusam­men­spiel zer­stört. Letz­te­res wird zur ers­ten Opti­on. Man sucht Stu­di­en­plät­ze für sie aus, wel­che die Band­mit­glie­der mög­lichst dazu bewe­gen sol­len, sich frei­wil­lig auf­zu­lö­sen. Bei der Sta­si über­prüft man die ein­zel­nen Jugend­li­chen genau­er, sucht schwar­ze Fle­cken in den Bio­gra­phien der ein­zel­nen Mit­glie­der und iden­ti­fi­ziert die­je­ni­gen, die den größ­ten Ein­fluss auf die Grup­pe haben.

Nun beginnt der Appa­rat zu arbei­ten, der ers­te Stasi-Mitarbeiter kommt zur Band und, „lädt ein“ zum Ver­hör. Die Jugend­li­chen fan­gen an, para­no­id zu wer­den. Die Gefahr, dass der bes­te Freund nun als inof­fi­zi­el­ler Mit­ar­bei­ter agiert, ist groß. Die SED holt mitt­ler­wei­le ein­zel­ne Musi­kan­ten in ihr Büro, um ihnen attrak­ti­ve Stu­di­en­plät­ze zu bie­ten, nach denen sich sonst alle seh­nen. Hier endet das Miss­trau­en der meis­ten Band­mit­glie­der gegen­über dem Staat. Alle bis auf einen sagen, ohne groß zu debat­tie­ren, zu. Doch ist die Kreis­lei­tung noch nicht zufrie­den, die „Pro­blem­schü­ler“ neh­men ihr Stu­di­um erst in ein paar Mona­ten in Angriff, bis dahin kön­nen sie immer noch „dem Volk scha­den“. SED und Sta­si müs­sen nun per­fi­der und aus­ge­klü­gel­ter han­deln. Der Pfar­re­rin, die den Jugend­li­chen Unter­schlupf gewährt, wird Sata­nis­mus vor­ge­wor­fen, einer der Künst­ler wird in den Selbst­mord getrie­ben, ande­re wer­den mit erfun­de­nen Vor­wür­fen in Ver­ruf gebracht.

Die Musi­ker erken­nen die per­fi­de Stra­te­gie, wol­len jedoch nicht auf­ge­ben und bit­ten um eine Ein­stu­fung als Künst­ler, um öffent­lich auf­tre­ten zu dür­fen. Wäh­rend die SED ihren Antrag bear­bei­tet, wan­dern immer mehr der krea­ti­ven Köp­fe in die Ver­hör­räu­me der Stasi.
Nach einem zer­mür­ben­den Pro­zess in der Kreis­lei­tung ist man nun zufrie­den, die Ein­stu­fung wird gewährt und der ers­te Auf­tritt steht bevor. Die Musi­ker bespre­chen die­sen penibel-genau, alles muss nach Plan erfol­gen. Immer­hin fin­det die­ser auf einem gro­ßen Markt statt und wird im Rund­funk übertragen.

Ver­sam­melt auf der Büh­ne, geben sie sich das Signal. Staats­feind­li­che Ver­se erklin­gen aus den Laut­spre­chern, die Musi­ker haben einen Gegen­schlag vor­be­rei­tet. Die Sekre­tä­re in der SED zei­gen sich über­rascht, jedoch beru­hi­gen sie sich schnell, denn die Sta­si hat bereits Maß­nah­men ergrif­fen. Sämt­li­cher Strom wird umge­hend abge­stellt, alle Über­tra­gun­gen wer­den abge­bro­chen, nie­mand kann ihr Gedan­ken­gut mehr ver­neh­men. Ein Miss­erfolg; nun haben sie sich zu verantworten.

Man ent­schei­det, die jun­gen Män­ner in die Natio­na­le Volks­ar­me zu ver­dam­men und eine Background-Sängerin wird zur Fisch­ver­ar­bei­te­rin degra­diert. Die Pfar­re­rin kommt unge­scho­ren davon und ein Gitar­rist, der einen hohen Poli­ti­ker zum Vater hat, wird natür­lich nicht belangt.

In einer Abschluss­be­spre­chung im Ple­num wer­den die Ergeb­nis­se der Simu­la­ti­on zusam­men­ge­fasst, die Ver­rä­ter wer­den ent­tarnt und die Mit­spie­ler mit bis­her unbe­kann­ten Details über­rascht. Dar­auf­hin tau­schen sich die Schü­ler über ihre Ein­drü­cke und Erfah­run­gen aus. Die Teil­neh­mer fan­den die Simu­la­ti­on abwechs­lungs­reich, infor­ma­tiv und span­nend und zie­hen das Resü­mee, dass sie defi­ni­tiv von die­sem Tag etwas mit­neh­men kön­nen. Das Lei­tungs­team ver­ab­schie­det sich und Lin­dau ver­wan­delt sich nun wie­der zurück in eine Klein­stadt am Boden­see, in der zum Glück Rechts­staat­lich­keit und Demo­kra­tie vorherrschen.

Chris­tos Lach­a­nas, 10c