Am kommenden Mittwoch, den 20. Oktober, besucht die Q12 mit Bertolt Brechts Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan“ einen absoluten Klassiker der Literatur des 20. Jahrhunderts.
Der Besuch eines epischen Theaterstückes ist immer wieder etwas Besonderes. Brecht nutzt die sogenannten „Verfremdungseffekte“, um das Publikum von der Handlung zu distanzieren und ein kritisches Mitdenken zu fördern. Wenn das Spiel auf der Bühne also stellenweise übertrieben und überstilisiert wirkt, so erfüllt es dennoch genau dadurch seine Funktion: Es regt zum Nachdenken an!
Brecht stellt in seiner Parabel die existentielle Frage, was es eigentlich bedeutet, gut zu sein. Wozu ist der Mensch in der Not fähig und welche Auswirkungen hat das soziale Umfeld auf den einzelnen Menschen? Wo liegen in einer kapitalistischen Gesellschaft die Grenzen zwischen (übertriebener?) Nächstenliebe, selbsterhaltender Vernunft und kaltherzigem Egoismus?
Besonders anschaulich wird dieser Grundkonflikt in der Doppelrolle der Hauptfigur Shen Te, einer ehemaligen Prostituierten. Sie ist einfach zu gut für diese Welt. Sie gibt mehr, als sie hat, weil sie unbedingt ein guter Mensch sein will und steuert dadurch geradewegs auf ihren eigenen Bankrott zu. Um sich vor dem Elend zu retten, erfindet sie ein geschäftstüchtiges Alter Ego, ihren Vetter Shui Ta. Dieser agiert kalt und berechnend, um in der harten Welt von Sezuan nicht unterzugehen. Doch auch ihr doppeltes Spiel bietet Shen Te keine Lösung: Sie bleibt zerrissen zwischen ihrem Anspruch, gut zu sein, und der Lehre des Kapitalismus, nur ohne ihre „guten Werte“ überleben zu können.
Diese ausweglose Situation soll aber – wenn es nach Brecht geht – nur für das Stück selbst gelten. Wie bei epischen Lehrtheatern üblich endet auch „Der gute Mensch von Sezuan” mit einem offenen Schluss: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn´ betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen. Soll es ein andrer Mensch sein? Oder eine andere Welt? Vielleicht nur andere Götter? Oder keine? .…. Verehrtes Publikum, los, such´ dir selbst den Schluss! Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!”
Wir freuen uns auf einen anregenden Theaterabend, inszeniert von dem Landestheater Tübingen!
Beate Brecht