Die diesjährige Geschichtsexkursion der Q11 führte uns in die von der Zerstörung durch den 2. Weltkrieg verschont gebliebene ehemalige Freie Reichsstadt Ravensburg.
Eine anschauliche Stadtführung ermöglichte uns einzigartige Einblicke in das Rathaus, dessen Kleiner Saal mit seinem smaragdgrünen Kachelofen und Gemälden der einstigen Bürgermeister das Juwel des spätgotischen Bauwerks ist, sowie in die evangelische Stadtkirche und den Blaserturm.
Beide Bauten sind Paradebeispiele für die seltene, aber in Ravensburg übliche Parität (lat. „pars/-tis“ der Teil), also die gegenseitige Toleranz zwischen der katholischen und protestantischen Konfession, oder abfällig der „Kreuzköpf“ und „Wiaschdgleibigen“, wie diese humorvoll auf einer Informationstafel im Humpis-Quartier genannt werden.
Die jetzt evangelische Stadtkirche ist insofern beispielhaft, da sich besagte Konfessionen diese sogar teilten: Abgesehen von gelegentlich aufdringlichen Gesängen der katholischen Mönche aus dem Chorraum hinter dem Lettner (Mauer zwischen Kirchenschiff und Altarraum) und darauf folgenden Gemüse- und Eierbombardements durch die Protestanten, war das Zusammenleben weitgehend friedlich. Nicht einmal der 30-Jährige Krieg entzweite die Gemeinschaft.
Grund dafür war die doppelte Besetzung vieler Ämter, sowohl das des Bürgermeisters, welches alle vier Monate abwechselnd geführt wurde, als auch das der zwei Wächter auf dem Blaserturm: einer war evangelisch, einer katholisch.
Höhepunkt des Ausflugs war eine Zeitreise in ein nahezu makellos erhaltenes spätmittelalterliches Wohnquartier mit einer wechselvollen Geschichte. Das archaische Gemäuer wird vitrinenartig durch ein Gerippe aus Stahl und Glas von der modernen Welt getrennt. Das Humpis-Quartier stellt als authentisch begehbares Museum ein „pars pro toto“ (lat. Ein Teil fürs Ganze) für die Erfolgsgeschichte der Anfänge des modernen, europäischen Fernhandels dar. Im Auftrag der Handelsfamilie Humpis (von Hundbiss) soll sogar der weltberühmte Entdecker der Neuen Welt, Christoph Kolumbus, gesegelt sein. Der Untergang der Handelsgesellschaft wurde dadurch besiegelt, dass sie nicht in den amerikanischen Fernhandel eingestiegen ist. Statt dessen haben ihre Mitglieder ihr Kapital dafür aufgewendet, um das Leben von Adligen zu führen. Dennoch bleibt festzuhalten: Ein auf Information und Kommunikation basierendes Verhältnis von In- und Export verhalf sowohl der Familie Humpis als auch der Stadt Ravensburg bis ins 16. Jahrhundert zu Reichtum und Einfluss.
Im Laufe der Jahrhunderte erlebte das Haus ein Auf und Ab von verstrittenen Gerberbrüdern, die inmitten der Stadt ihr stinkendes Handwerk verrichteten, bis hin zur Einrichtung eines beliebten Restaurants und Vereinsheims im 19. Jahrhundert.
Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle den Stadt- und Museumsführern sowie den Lehrkräften, die uns diese erlebnisreiche Intensivierung des Stoffgebiets der Frühen Neuzeit ermöglicht haben: Frau von Arndt, Herr Drexler, Frau Heß und Herr Dr. Jörgensen.
Emanuel Steinhauser Q11